Während der Technikerschule teilten Stefan Zweifel und ich
mal ein halbes Jahr in Biel ein Zimmer. Eine Grundregel gab es da: Wir trinken
jeden Abend mindestens ein Bier zusammen. Eisern wie wir waren, haben wir dies
trotz aller Widerstände durchgezogen. – Heute, zwei Hochzeiten, fünf Kinder, mehrere
Stellenwechsel und hunderttausende Hypothekarschulden später, ist das Leben
etwas komplizierter als damals. Die grundlegenden Dinge haben sich aber nicht
geändert: Wir trinken immer noch gerne Bier zusammen und wir sind natürlich
immer noch eisern!
Nachdem Steff, anfangs Jahr wieder mit laufen begonnen
hatte, ist die Idee entstanden, gemeinsam den Sardona Trail Halbmarathon zu
laufen. (Eigentlich wollten wir nur gemeinsam Bier trinken. Das hätten wir aber
bei unseren Frauen nicht durchgebracht. Deshalb haben wir das Bier trinken mit
21km und 1500Hm getarnt.)
Also bin ich am Freitag Abend angereist. Mitgebracht habe
ich Steff ein Cachon Bier und seine Schwiegermutter (welche gemäss unserem Plan
am Samstag die Kinder hüten musste). Ich bin kein Fan von Carbo-Loading. Bei
Corinne’s Spaghetti habe ich aber zweimal kräftig zugeschlagen. Dazu zwei Bier,
damit auch der Flüssigkeitsspeicher gefüllt ist. Statt einem weiteren Bier,
haben wir dann unserer (Pflicht-)Ausrüstung kontrolliert. Beim Sardona gibt es
eine sehr genaue Materialkontrolle, das wusste ich noch vom letzten Mal. Nach
all den Ultra-Rennen dieses Jahr, macht ich mir für einmal keine Sorgen
betreffend Finish. Ich war aber gespannt, wie sich Steff in seinem ersten
„Ernstkampf“ schlagen würde. Ohne Nervosität schläft es sich dann auch gleich
viel besser.
Tagwache um 7:00 Uhr. Cappucino und Cornflakes. Dann
Toilette, packen und weg! Von Wangs geht es mit der Gondel bis zur
Zwischenstation Furt. Dort holen wir die Startnummern und trinken mal den nächsten
Kaffee. Ich genehmige mir gleich noch einen Mandelgipfel dazu. Normalerweise
machen meine Magennerven das vor einem Rennen nicht mit. Heute aber alles
entspannt, was ich geniesse. Wir schauen den Start des Sardona Marathons und
gehen dann zur Ausrüstungkontrolle. Dank seriöser Vorbereitung bestehen wir
diese mit Bravour. Eine Premiere erlebe ich mit dem Zeitmesssystem. Es kommt
vom Orientierungslauf und besteht auch einem Chip, welchen man an den Finger
macht und der dann bei den Zwischenposten und im Ziel in ein Lesegerät gesteckt
werden muss.
Steff bei der Materialkontrolle |
Kurz vor dem Start stellen wir uns hinten ins Läuferfeld
rein. Um Punkt 10:00 Uhr schiesst Umberto mit der Startpistole und es geht los.
Wettertechnisch sieht es etwas verhangen und neblig aus. Temperatur ist aber in
Ordnung und viel Regen sollten wir auch nicht erwischen. Ich will den gesamten
Lauf zusammen mit Steff absolvieren und reihe mich deshalb einfach hinter ihm
ein. Den flachen Teil bis zum ersten Anstieg geniesse ich total. Heute habe ich
keinen Druck. Wir laufen fast zu hinterst und es fast nur Frauen um uns rum.
Dann geht es in den Anstieg von rund 500Hm. Steff hat ein gutes Tempo und mein
Puls pendelt sich bei gut 160 Schlägen ein. Alleine wäre ich wohl ein wenig
schneller, viel würde es aber nicht ausmachen.
Wir sind guter Dinge! |
Aussicht schlecht. Wetter aber ideal zum Laufen. |
Wir können im Aufstieg einige Läufer überholen, so macht es
Spass. Nach rund 50 Minuten stehen wir auf 2000m beim Gipfelkreuz und bitten
eine Wanderin, ein Beweisfoto für unsere Frauen zu machen. Dann geht es auf den
Downhill Richtung Verpflegungsposten Gaffia. Steff lässt es hier mächtig
fliegen und ich muss aufpassen, dass ich ihm folgen kann. Auf einer
Ultra-Distanz würde ich mich nicht getrauen, bergab so Gas zu geben. Auf der
Kurzstrecke mag es das sicher leiden. Die Wege sind teilweise recht matschig.
Insbesondere, als wir noch eine Tambourengruppe inkl. Instrumenten kreuzen,
müssen wir uns vor Ausrutschern in Acht nehmen. Das Gelände ist zum Glück viel
steiniger als beim Mountainman. So finde ich immer eine feste Stelle zum
auftreten.
Am Gipfelkreuz mit der Frauenriege Kaltbrunn |
Beim Verpflegungsposten erkläre ich Steff, dass wir sofort
weitergehen und uns unterwegs verpflegen. Er konsumiert den ersten Energie-Gel
seines Lebens und findet den erstaunlicherweise gar nicht so übel. Ich fand den
ersten Versuch damals ganz scheusslich. Es folgen gleich nochmals 500Hm hoch
zum Schwarzsee. Wieder kommen wir ordentlich vor- bzw. aufwärts. Das Läuferfeld
ist schon weit auseinandergezogen und wir haben nun vor allem Begegnungen mit
Wanderern. Wetter immer noch neblig aber ideal zum Laufen. Wir passieren mit
dem Baschalvsee den ersten See der 5-Seen-Wanderung. Vom letzten Jahr habe ich
nur noch die neuralgischen Punkte im Kopf. An den Streckenverlauf dazwischen
erinnere ich mich nicht mehr vollständig. Einen dieser neuralgischen passieren
wir vor dem Abstieg zum zweiten See, dem Schwarzsee. Der Gipfel mit den
unzähligen Steinmannli. Auch hier werden Erinnerungsfotos gemacht.
"Steinmannli-Gipfel" im Nebel |
Steff gibt immer noch ordentlich Gas und wir absolvieren die
anspruchsvollere erste Streckenhälfte in ziemlich genau zwei Stunden. Unser
Ziel, eine Zeit unter vier Stunden sollten wir somit locker erreichen. Auf dem
Flachstück beim Schwarzsee zwickt es Steff dann aber am linken Knie und wir
werden auf Marschtempo gebremst. Es folgt nochmals ein kurzer, aber knackiger
Anstieg. Oben kurze Pinkelpause, dann geht es in den Downhill zum Schottensee
(See Nummer 3). Das „Knie des Teams“ macht leider immer noch nicht mit und die
Geschwindigkeit entsprechend viel langsamer als es Kondition und Gelände
zuliessen. Tja, dann kann man nichts machen, nun heisst es durchbeissen und
fertig machen.
Wildsee |
Es folgt der letzte Anstieg zur Wildseeluggen, dem höchsten
Punkt der Strecke (2490m). Dort ist ein Posten der Bergwacht und wir müssen mit
unseren Chips bestätigen, dass wir wirklich hier waren. Die Marathonstrecke
zweigt hier ab und zieht sich entlang des Wildsees (Nr. 4) Richtung
Lavtinasattel. Wir können durch die Wildseeluggeen stechen und Richtung
Pizolhütte absteigen. Steff zieht zur „Gipfelfeier“ eine Tafel Nuss-Schokolade
aus dem Rucksack. Herrlich, das schmeckt jetzt fast besser als ein Bier. – Vor
uns liegen noch rund 7.5km inklusive fast 1000Hm Abstieg. Hört sich nach Spass
an. Ist es aber mit einem lädierten Knie eher ein Kampf. Wir haben eine gute
Stunde Zeit, wenn wir unseren Sub-4h-Finish schaffen wollen. Ist das noch
realistisch?
Schoko-Pause |
Einige Läufer überholen uns und das schlägt natürlich etwas
auf die Motivation. Es geht ja aber nur darum, das Rennen gesund und zufrieden
zu finishen. So marschieren wir einfach stetig weiter. Bei der Pizolhütte der
letzte Verpflegungs- und Kontrollposten. Kurz ein obligatorischer Becher Cola
und weiter geht’s. Ich rechne und schätze. Noch 4.5km und 40 Minuten zur
Verfügung. Es kann trotz malträtiertem Knie reichen, wird aber nochmals
spannend. Steff beisst auf die Zähne und versucht immer wieder in den
Laufschritt zu fallen. In Gaffia hat es dann einige Wanderer, welche uns
anfeuern. Das gibt nochmals Energie für die letzten zwei Kilometer. Wir bleiben
dran und wollen die vier Stunden unbedingt unterbieten.
Wenige hundert Meter vor dem Ziel ist es dann klar. Es wird
reichen! Zweihundert Meter vor der Ziellinie zieht Steff auf einmal einen
Endspurt an und ich muss schauen, dass ich bis zur Ziellinie wieder
aufschliessen mag. Die Uhr bleibt bei 3:54:47 stehen. Da haben wir ja sogar
noch Reserve! Endlich wieder mal ein gemeinsames Projekt erfolgreich zu Ende
gebracht!
Wir holen das Finisher-Shirt und packen dann unsere Sachen.
Zu Hause wartet Corinne’s Pasta und ein Bier!