Montag, 24. September 2012

The Waye - Was nachher geschah - Die Lehren

Nach dem Zieleinlauf gings sofort unter die Dusche. Dann ab zum Auto und nach Hause. Nachdem ich Markus kurz vor 2200 abgeladen hatte, hole ich mir noch ein BigMac-Menü (Treppensteigen ist nun eine Herausforderung). Zu Hause habe ich keine Energie mehr zum auspacken und werfe alle feuchten und verschwitzten Sachen auf einen Haufen im Wohnzimmer.

Lehre 1: Wenn Du nach dem Wettkampf keine Lust mehr hast, Deine Sportsachen zu waschen oä., dann deponiere sie nicht dort, wo Deine Ehefrau nach dem Aufstehen direkt drüberfällt. Sobald der Schreck, über einen nassen toten Hund gefallen zu sein, vorbei ist, gehen die Diskussionen los.

Ich schlafe recht unruhig und habe schmerzen an verschiedenen Stellen meiner Beine. Ich schwitze stark und habe das Gefühl, der Körper arbeitet die Abfallstoffe aus meinen Muskeln raus. Am Morgen ist mein Urin ziemlich dunkel. Ich denke ich habe während dem Lauf zu wenig getrunken.

Lehre 2: Auch bei kühler Witterung genügend Flüssigkeit aufnehmen.

Der Tag danach. Ich habe Schmerzen in den Oberschenkeln und zwischen Fussgelenken und Schienbeinen. Ich trinke andauernd und habe Lust auf ein grosses Mittagessen. So gehen wir in den Bären nach Holziken. Das Essen ist sehr gut, das lange sitzen aber nicht gerade förderlich für meinen Zustand. Am Abend mache ich mit David eine Velotour. Die Bewegung tut sehr gut.

Lehre 3: Auslaufen. Die Regeneration wird gefördet, wenn die Muskeln bewegt und durchblutet werden. Ein Spaziergang oder etwas Velo fahren!

Ich studiere die Rangliste und unsere Zeiten. Da gibt es für mich noch viel Optimierungpotential nach vorne. Ich hatte vor dem Rennen einen Zeitplan aufgestellt. Diesen haben wir bis nach der 4. Etappe praktisch auf die Minute eingehalten. ich habe dann aber auf der 5. und 6. Etappe über 30 Minuten versemmelt. Ich denke körperlich hätte ich mehr leisten können, mental war ich aber dazu nicht bereit.

Lehre 4: Bei Ultramarathons wird 50% mit den Beinen und 50% mit dem Kopf gelaufen. Beides muss trainiert sein.

Zwei Tage danach: Die Schmerzen lassen nach, das Grinsen im Gesicht bleibt. Höhepunkt des Tages: Ich konnte eine Treppe runtersteigen, ohne mich am Geländer zu halten. Da kommt mir eine Episode aus der Dusche in den Sinn. Ich habe dort einen Bekannten getroffen. Er hat gefragt, ob ich schon viele solche Sachen gemacht habe. Ich habe geantwortet: "Nein, das war das erste Mal". Er: "Das ist nicht so gut." Ich: Wieso?" (Im Hinterkopf: "Der denkt sicher, als Anfänger sollte man es kleiner angehen") Er: "Weil Du nicht mehr aufhören kannst, wenn du mal begonnen hast."

Lehre 5: Solche Sachen können süchtig machen. (Wie bringe ich meiner Frau meinen Plan vom Luzern-Marathon bei?)

The Wayve - 111km um den Zürichsee

Nun ist es also soweit. Mein erster Ernstkampf steht an. Am Samstag, 22.9.2012 findet zum ersten Mal "The Wayve" statt. Ein 111km langer Lauf in 6 Etappen um den Zürichsee. Mein Twin-Team-Partner Markus Hauri und ich haben uns die Etappen wie folgt aufgeteilt. Markus startet mit den ersten beiden Etappen (18km + 19km, total 610 Höhenmeter), dann laufe ich die 3. Etappe mit 23 km und 250Hm, Markus die 4. Etappe über den Etzel (16km, 700 Hm) und ich die beiden Schlussetappen (23km + 12km, 240Hm). Als sich die Vorbereitung dem Ende nähert, frage ich mich, ob es nicht etwas ehrgeizig ist, mit einem solchen Lauf zu starten.

Ich hole Markus um 5:45 Uhr ab und wir fahren nach Zürich (Strandbad Tiefenbrunnen). Wir sind rechtzeitig zum Start der Single-Läufer um 7:00 Uhr vor Ort. Wir machen unsere Ausrüstung bereit und Markus läuft sich noch kurz ein. Um 8:00 startet er mit den anderen Twin- und Sixpack-Teams. Ich habe nun Zeit und fahre mit dem Zug nach Jona. Dort warte ich und kann die ersten Single-Läufer kurz vor 10:00 Uhr beklatschen. Um 11:00 ruft Markus an und sagt, dass er etwa in 30 Minuten in Jona sein werde. Die Prognose ist sehr genau und um 11:28 Uhr übernehme ich den GPS-Tracker und mache mich auf den Weg.
Markus Hauri: Mein Partner für die schweren Etappen.


Ich freue mich, dass es endlich losgeht. Mit meinem Start beginnt es auch zu regnen und für Wasserkühlung ist fast auf der ganzen Etappe gesorgt. Mein Puls ist höher als ich es mir wünsche, ich denke aber das kommt von der Wettkampf-Atmosphäre und laufe auf der flachen Strecke entlang des Sees mit ca. 5:00 bis 5:30 pro Kilometer. Nach Schmerikon geht es über die Linth und nachher steigt die Strecke hoch über den Buechberg. Hier muss ich erstmals gehen und beissen. Abwärts ist es teilweise sehr rutschig und dreckig und ich stürze zweimal leicht. Als ich den Buechberg überstanden habe, rufe ich Markus an und verpasse dabei prompt eine Abzweigung. Die Läuferin hinter mir ruft mich zum Glück zurück und ich mache nur 50m zuviel. (Wie hiess es bereits im Militär: Die einen Laufen mit den Beinen, die anderen mit dem Kopf). Das Feld ist nun bereits weit auseinandergezogen und ich laufe viel alleine. Auf der Ebene bis nach Lachen geht es mit dem mentalen los. Wann kommt endlich das Etappenziel. Nach 2:15h, komme ich an und übergebe wieder an Markus. Mein GPS zeigt 23.8km. Die Zeit ist ziemlich genau, wie ich erwartet hatte. Die Frage ist, wieviel Energie ich für den Rest habe.
Nach wenigen Kilometern. Der Single-Läufer im schwarzen Shirt hat hier bereits einen Marathon absolviert.


Ich ziehe mir Jacke und Trainerhose über die nassen Laufkleider an. Dann packe ich unseren gemeinsamen Rucksack und mache mich auf den Weg zum Bahnhof. Ich kaufe mir ein Fläschchen Apfelschorle, was wunderbar schmeckt in dieser Situation. Mit dem Zug fahre ich nach Schindellegi an den nächsten Etappenort. Unterwegs beginne ich zu frieren. So suche ich in Schindellegi sofort die Garderobe auf und wechsle Socken und Unterhemd. Dann föhne ich meine Laufshirts. Die Sixpack-Läufer, welche ihre Etappe absolviert haben, duschen und erzählen Horror-Stories der Etzel-Überquerung bei Nebel und Regen. Ich komme mir etwas vor wie das Lamm, das zur Schlachtbank muss. Unser Tracker funktioniert nicht und ich weiss nicht wo Markus ist. Dann steigt mein Iphone aus uns lässt sich nicht wiederbeleben. So kann er mich nicht anrufen und ich werde ihn auch nicht mehr anrufen können. So bleibt mir nichts anderes übrig, als draussen zu warten, bis er eintrifft. Es beginnt wieder zu regnen und ich entscheide, die Regenjacke anzuziehen. Genau da kommt Markus. Ich ziehe mich an und laufe los. Es macht Spass, allerdings meine ich nach 200m, den Krampf zu bekommen. Dann muss ich pinkeln und die Regenjacke macht mir zu warm. Also kurzer Boxenstop im Wald und nachher wieder los. Bald kommt die erste Steigung und ich falle schon bald ins marschieren. Bergauf gehe ich nun die meiste Zeit, zum Glück hat es nicht zu viele Steigungen. Ich beginne zu rechnen: Bei einer totalen Distanz von 58 km, habe ich nach 6km dieser Etappe die Hälfte der Gesamtstrecke erreicht. Ob das nun positiv oder negativ ist, will ich mir nicht richtig beantworten.

Auf die Zähne beissen sieht auch wie lächeln aus!
 In Thalwil habe ich nun meine zweiten Halbmarathon für heute geschafft (23km, 2:24h) und fühle mich auch ziemlich geschafft. Ich esse und trinke etwas und fülle meine Flaschen, dann ziehe ich meine Regenjacke wieder an, es ist nun kühl und ich will den restlichen Weg etwas komfortabler absolvieren. Ich leihe mir ein Handy und rufe Markus an. Es ist 18:05 und ich rechne mit etwa 1:30h für die letzten 12km. Dann mache ich mich auf den Weg. Es geht nun praktisch nur noch abwärts und flach. Meine Oberschenkel sind hart und die Fussohlen schmerzen. Ich lege mehrmals Gehpausen ein obwohl es flach geht. Die Dämmerung bricht herein und in den Waldabschnitten ist es ziemlich dunkel. Bei einer Verzweigung sehe ich zwar die Orientierungspfeilchen, biege aber trotzdem auf die falsche Seite ab. Zum Glück stehen dort zwei Zuschauer und rufen mich zurück. Wieder Glück gehabt.

Enlang der Sihl, im Hintergrund eine Autobahnbrücke
Es überholen mich zwei Single-Läufer (welche Schmach). Ich kann Ihnen ca. zwei Kilometer folgen, was mir hilft vorwärts zu kommen. Dann lasse ich abreissen. Später überhole ich die beiden dann wieder. Was mich stutzig macht, ist die Tatsache, dass mein GPS eine Distanz von 2km Rest anzeigt, ich aber noch nicht mal in der Stadt bin. Ich hadere mit dem Garmin und fühle mich etwas orientierungslos und verlassen. Markus wartet schon lange auf mich und ich bin längs überfällig. Ich kämpfe weiter und endlich kommen die ersten Häuser von Zürich. Nun gilt es wieder auf die Pfeilchen zu achten. Schlussendlich stehe ich an einer Kreuzung und weiss nicht mehr wohin. Da kommt eine Sixpack-Läuferin, welche den Weg anscheindend kennt und ich versuche ihr zu folgen. Das geht einige 100m, sie ist aber viel schneller als ich und ich verliere die Spur. Betreffend Orientierung kann jetzt zum Glück nicht mehr viel schief gehen. Einfach entlang des Sees bis zum Strandbad Tiefenbrunnen. Die Leute gehen rausgeputzt in den Ausgang. Ich watschtle nass, stinkend und fertig zwischendurch. Immerhin spüre ich nun das Ziel und brauche keine Gehpausen mehr. Am Meeting-Point wartet Markus und so traben wir gemeinsam ins Ziel. Markus teilt mir mit, dass die letzte Etappe anscheinend ca. 16km statt 12km war. Ich kann dies bestätigen und versöhne mich mit meiner Garmin-Uhr. Ich habe für die 39km, 4:30h gebraucht. Insgesamt haben wir 12:03h für die 115km benötigt.

Zieleinlauf nach 115km und 12:03h